Fit mit Retro-Training

Kettlebells - Dinosaurier unter den Fitnessgeräten

Kettlebell
Die Kettlebell, eine Eisenkugel mit Griff, ist trotz ihres hohen Alters und ihres martialischen Aussehens ein phänomenales Trainingsinstrument. Tatsächlich kann man allein mit einer Kettlebell Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit trainieren wie kaum mit einem anderen Gerät.

Die Kettlebell ist der Dinosaurier unter den Trainingsgeräten. Asiatische (Kampf-)Sportler trainieren seit Jahrtausenden mit Kettlebell-ähnlichen Gewichten. Bekannt ist auch, dass russische Soldaten seit dem 18. Jahrhundert mit Kugelhanteln trainieren. Auch bei uns war die Kugelhantel früher bekannt, geriet jedoch im 20. Jahrhundert in Vergessenheit.

Es war denn auch der ehemalige russische Speznas-Trainer Pavel Tsatsouline, der anfangs dieses 21. Jahrhunderts in den USA mit cleverem Marketing die in Vergessenheit geratene Kugelhantel als Kettlebell populär machte.

Was die Kettlebell so besonders macht

Kettlebell-Swing
Die Kettlebell ist nicht einfach eine Hantel mehr für konventionelle Kraftübungen wie Bizeps-Curls und dergleichen mehr. Natürlich kann man das damit auch machen, es ist jedoch nicht die wirkliche Domäne der Kettlebell.

Ihre unübertreffbare Stärke liegt wegen der ungewöhnlichen Bauform bei den schnellen Lifts wie typischerweise dem im Bild gezeigten Kettlebell-Swing. Solche Übungen lassen sich mit Kurzhanteln vor allem einhändig kaum ausführen, ohne sich Knie oder Schienbeine zu zertrümmern.

Mit nur wenigen Kettlebell-Übungen lassen sich sowohl Kraft, Schnellkraft und Kraftausdauer wie auch die Herz-Kreislauf-Ausdauer und die Koordinationsfähigkeit und Dynamik trainieren. Ganz besonders profitieren die vielen stabilisierenden Rücken-/Rumpfmuskeln sowie die Schulter- und Arm-/Griffmuskulatur sowie auch die Hüftbeweglichkeit vom korrekt durchgeführten Kettlebell-Training.

Und last but not least: Auch mit Kettlebells kann man auf kleinstem Raum trainieren. Zudem sind Kettlebells relativ günstig in der Anschaffung und praktisch unzerstörbar.

Ein Wort zum Kettlebell-Training für Frauen

Kettlebell-Training ist für Frauen genauso hervorragend geeignet wie für Männer. Training und Übungen bleiben gleich, Männer trainieren jedoch meist mit 20, 24 oder 32kg schweren Kugeln, Frauen benutzen bevorzugt Kettlebells mit 8, 12, 16 oder 20kg.

Die Angst vor grossen Muskelpaketen ist bei Frauen völlig unbegründet. Kettlebell-Training führt nicht zu grossem Muskelwachstum, sondern stärkt, formt und festigt die weibliche wie die männliche Muskulatur und strafft daher auch die bekannten Problemzonen an Oberarmen, Bauch, Po und Oberschenkeln.

Auch Frauen sollten sich also unbedingt diese (spezielle) Kugel "geben", zumal das Training mit Kettlebells erwiesenermassen viele Kalorien verbraucht.

Eine Kiste Bier heben ist mindestens so gefährlich

Verletzungen
Manchmal wird eingewendet, Kettlebell-Training berge ein hohes Verletzungsrisiko. Das stimmt, wenn man sich nicht die Mühe macht, korrekte Bewegungsmuster zu erlernen. Aber auch wenn man einen Kasten Bier mit rundem Rücken aus dem Kofferraum des Autos heben will, kann man sich ernsthaft verletzen.

Richtige Kettlebell-Technik bedeutet, die Kugel rückenschonend zu bewegen. Der Nutzen des Kettlebell-Trainings ist daher auch für den Alltag gross, sei es beim Einkaufen oder bei der Gartenarbeit.

Idealerweise lässt man sich die richtige Kettlebell-Technik in einem (Halb-)Tageskurs von einem RKC-zertifizierten Trainer wie z.B. Till Sukopp beibringen. Wer dazu keine Möglichkeit hat, dem sei dringendst empfohlen, wenigstens nach einer guten Anleitung wie derjenigen des Russen Pavel Tsatsouline in seinem Buch 'Kettlebell Training' (Englisch: 'Enter the Kettlebell') und dem zugehörenden gleichnamigen Video-Kurs anzufangen.

Das richtige Kettlebell-Gewicht

Kettlebells sind, wie eingangs erwähnt, unterschiedlich schwer erhältlich. Sie sollten nie mit einer zu schweren Kugel zu trainieren beginnen, eine 24kg-Kettlebell z.B. ist selbst für kräftige Anfänger zu schwer. Die Kräfte, die bei einem solchen Gewicht frei werden, sind bereits so gross, dass Sie sich bei mangelhafter Ausführung einer Übung verletzen können.

Beginnen Sie als Mann daher mit einer 16kg-Kugel. Als Frau sind Sie wahrscheinlich mit einer 12kg schweren Kettlebell gut bedient. Beginnen Sie lieber mit einer vermeintlich zu leichten Kugel und wechseln zu einer schwereren Ausführung, sobald Sie die grundlegende Technik beherrschen.

Einige wirkungsvolle Kettlebell-Übungen

Auch mit der Kettlebell gibt es Dutzende von Übungen. Ich erwähne hier nur die paar wirkungsvollsten, ohne auf Details der Ausführung einzugehen. Das würde den Rahmen dieser kurzen Übersicht sprengen.

Kettlebell-Swing
Der Kettlebell-Swing ist DIE Basisübung im Kettlebell-Training. Kettlebell-Experten sind sich einig: Müssten sie sich für eine einzige Übung entscheiden, wäre dies der Swing. Er vermittelt alle wesentlichen Grundlagen des Kettlebell-Trainings und ist eine hervorragende Ganzkörper-Übung.

Der Schwung wird aus der unteren Position mit der Kugel zwischen den Beinen durch explosives Strecken der Hüfte ausgelöst. Das trainiert die untere Rücken-, die Rumpf- und Oberschenkelmuskulatur und verbessert die Hüftbeweglichkeit. Das "Bändigen" der starken Zentrifugalkräfte beansprucht viele weitere Muskeln. Ihr Puls wird daher schnell ansteigen, was das Schwingen der Kettlebell zu einem hervorragenden Herz- und Kreislauftraining macht.

Turkish Get-Up
Der Turkish Get-Up (kurz TGU) ist eine weitere hervorragende Ganzkörper-Übung. Hier müssen Sie aus dem Liegen mit der nach stets oben gestreckten Kettlebell aufstehen und sich wieder hinlegen. Korrekte technische Ausführung ist äusserst wichtig.

Der Turkish Get-Up deckt Defizite bei Beweglichkeit und der Rumpfkraft auf. Er trainiert den Körper darin, das hochgehaltene Gewicht in jeder Lage stabilisieren und kontrollieren zu können, während wir uns fast schlangenartig unter der Kugel winden. Der TGU kräftigt fast unsere ganze Muskulatur, speziell die Rumpf-, Rücken- und Schultermuskeln und ist ein ausgezeichnetes Training für die Schultergelenke.

Hier ein Beispiel auf youtube, das zeigt, was mit einem TGU bei entsprechendem Training möglich ist. Trotz der nicht eben geringen Last von annähernd 50kg (meine Schätzung) zeigt Jeff Martone, mehrfacher Schwarzgurtträger in asiatischen Kampfsportarten und Kettlebell-Instruktor, nahezu mühelos einen technisch einwandfreien Turkish Get-Up vor. Da die Kraft vor allem aus der Rumpfmuskulatur kommt, braucht's dazu keine Muskelpakete à la Arnold Schwarzenegger oder Silvester Stallone.

Kettlebell-Minimalprogramm
Der eingangs erwähnte Pavel Tsatsouline hat ein Minimal-Trainingsprogramm definiert, das "nur" aus dem Kettlebell Swing und dem Turkish Get-Up besteht. Tatsächlich können Sie mit diesen beiden Übungen in nur 15 Minuten bereits ein sehr gutes Ganzkörper-Training durchführen.

Ich meine, dass es trotzdem unbedingt empfehlenswert ist, dieses Minimalprogramm mit immer wieder wechselnden Kettlebell- wie auch Eigengewichtsübungen, Seilspringen oder Slingtraining zu erweitern. Das macht Ihr Training umfassender, vielfältiger und dadurch noch wirkungsvoller.

Kettlebell-Snatch
Eine weitere hervorragende Ganzkörper-Übung ist der Kettlebell-Snatch, das einhändige Reissen der Kettlebell über den Kopf. Der Snatch wird wie der Swing dynamisch-schwungvoll ausgeführt, auch hier ist die Hüfte für die auslösende Beschleunigung der Kugel verantwortlich. Im Gegensatz zum Swing wird die Kettlebell jedoch nicht in einem weiten Bogen, sondern nahe am Körper hochgeführt und nach blitzschnellen Umsetzen auf Schulterhöhe explosiv zur Hochstrecke gebracht. Der Snatch ist technisch anspruchsvoller als der Swing.

Der Snatch ist die Königsübung im Kettlebell-Training. Er führt zu einer enormen Herz-Kreislauf-Fitness und beansprucht extrem viele Muskeln vom Kopf bis in die Zehen. Es verwundert daher nicht, dass eine Studie des American Council on Exercise (ACE) belegt, dass mit Snatches in nur 20 Minuten unglaubliche 400 Kalorien verbraucht werden können.

Kettlebell Military Press
Die letzte hier vorgestellte Übung, die Military Press, wird Sie wohl am meisten an konventionelles Hanteltraining erinnern. Vor der Military Press sollten Sie den Clean üben, um auch eine schwerere Kettlebell ohne Verletzung in die Rack-Position (Ausgangsstellung an der Schulter) zu bringen.

Die Military Press ist eine bekannte Kraftübung, Sie werden nach kurzer Zeit feststellen, dass Ihre Schultern und Arme kräftiger werden. Die Military Press verhilft auch zu mehr Kraft im ganzen Oberkörper, speziell die Rückenmuskulatur profitiert stark. Für die Military Press brauchen Sie wohl eine etwas schwerere Eisenkugel als für Schwungübungen. Notfalls können Sie sich behelfen, indem Sie eine Gewichtsscheibe von einer Kurzhantel mit starken Klebeband unten an die Kettlebell kleben.

Kettlebell oder Kurzhantel?

Warum denn nicht gleich mit der Kurzhantel trainieren, mögen sich Leser nach dem letzten Abschnitt fragen. Tatsächlich kann man Übungen wie die Presses und den Turkish Get-Up mit einer Kurzhantel genau so gut wie mit einer Kettlebell durchführen. Für dynamische Übungen wie Swing und Snatch eignet sich die Kurzhantel meiner Ansicht nach nicht.

Ein weiterer grosser und nicht zu unterschätzender Unterschied liegt bei der Gewichtsverteilung. Bei der Kurzhantel liegt der Schwerpunkt immer in der Hand, bei der Kettlebell ausserhalb derselben. Das macht die Übungen mit der Kettlebell weitaus anspruchsvoller, sowohl hinsichtlich Koordination und Stabilisierung wie auch was die Menge der beanspruchten Muskeln anbelangt.

Variieren Sie Ihr Training

Jahrein, jahraus das Gleiche gleich trainieren ist nicht nur langweilig, sondern verhindert Fortschritt. Variieren Sie deshalb Ihr Kettlebell-Training immer wieder. Ich selbst lebe nach der Devise: Kein Training wie das andere! Stete Variation ist die einzige Konstante *smile*.

Veränderbare Parameter beim Kettlebell-Training sind vor allem:
- Art der Übungen
- Reihenfolge der Übungen
- Dauer der Übungen
- Gesamt-Trainingszeit
- Intensität/Tempo (Achtung: Beim TGU zählt nur korrekte Ausführung, nicht das Tempo!)
- Gewicht der Kettlebell
- mit zwei Kettlebells statt nur mit einer trainieren

Kombinieren Sie Kettlebell-Übungen auch mit Bodyweight-Exercises, z.B. Military Presses mit Klimmzügen oder Swings mit Liegestütz. Eine mögliche Kombinationsübungen ist: Clean - Militäry Press links - Front-Squat links (Kniebeuge mit der Kettlebell in der linken Rack-Position - Clean - Military Press rechts - Front-Squat rechts - Klimmzug. Mit der Zeit entwickeln Sie selbst das Gefühl für immer wieder neue spannende Kombinationen. Achten Sie einfach darauf, dass Sie dabei möglichst viele verschiedene Muskeln beanspruchen.

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Last Update: 02.12.2016

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